Stadtwerke als Steuerzentrale: Forum Netz & Vertrieb zeigt klaren Weg für die vernetzte Energiezukunft

Rainer Schermuly (PSI), Dr. Christian Hofmann (Robotron), Ingo Schönberg (PPC), Prof. Dr. Sebastian Lehnhoff (Offis) und Markus Strenge (smartOPTIMO) beim ersten Praxistalk.

Die Energiewende erfordert mehr als nur den Ausbau von Erneuerbaren Energien: sie verlangt nach intelligenter Steuerung und digitaler Vernetzung. Unter diesem Leitmotto trafen sich am 10. September 2025 über 220 Fachexperten aus der kommunalen Energiewirtschaft beim Forum Netz & Vertrieb von smartOPTIMO in Osnabrück. Die zentrale Botschaft des Tages war unmissverständlich: Stadtwerke sind durch ihre lokale Verankerung und ihre zunehmende digitale Kompetenz die idealen Kandidaten, um die Rolle als "Steuerzentrale der Energiewende" vor Ort auszufüllen.

Den Auftakt machten die Vorstände der Stadtwerke Osnabrück und Münster, Daniel Waschow und Sebastian Jurczyk, mit einer gemeinsamen Keynote. Sie zeichneten das Bild einer neuen Phase der Energiewende, die durch den Widerspruch von Rekordeinspeisungen und gleichzeitigen Netzengpässen geprägt ist.

„Der Wandel kommt von allen Seiten – nicht nur durch die Energiewende“, betonte Daniel Waschow. „Wenn wir über Veränderungen in der Energiebranche sprechen, denken viele sofort an die Energiewende. Aber das greift zu kurz. Die Transformation, die wir erleben, ist umfassender – sie ist gesellschaftlich, technologisch, wirtschaftlich, demografisch.“

Sebastian Jurczyk ergänzte den Aspekt der Kooperation und der lokalen Stärke: „Unsere einzigartige Position als Stadtwerke liegt in unserer lokalen Präsenz und dem Vertrauen der Menschen. Wir übersetzen nationale Ziele in konkrete Projekte vor Ort. Um die gewaltigen digitalen Herausforderungen zu meistern, ist Kooperation der Schlüssel. Gemeinsam gewinnen wir die Innovationskraft, um die digitale Transformation zu gestalten, ohne unsere lokale Identität zu verlieren.“

Den wissenschaftlichen Rahmen für die anschließenden Diskussionen lieferte Prof. Dr. Sebastian Lehnhoff vom OFFIS – Institut für Informatik. In seinem Vortrag skizzierte er die technologische Zukunft der Netzsteuerung. „Das Smart Meter Gateway ist die sichere Basis, doch der wahre Wert entsteht in den Datenökosystemen, die wir darauf aufbauen“, so Prof. Dr. Lehnhoff. „Predictive Analytics und KI-gestützte Verfahren werden für Netzbetreiber zu Standardwerkzeugen, um die Stabilität in einem hochgradig dezentralen Energiesystem zu gewährleisten. Die technologische Entwicklung geht klar in Richtung eines autonomen, sich selbst optimierenden Netzbetriebs.“

 

Wie diese Zukunftsvision in der Praxis Gestalt annehmen kann, wurde in zwei hochkarätigen Praxistalks intensiv diskutiert.

Im ersten Talk unter dem Titel „Mehr als nur Kupfer: Vom physischen Netz zum digitalen Ökosystem“ debattierten Branchenexperten die strategischen Weichenstellungen. Mit dabei waren Dr. Christian Hofmann (Robotron), Prof. Dr. Sebastian Lehnhoff (Offis), Rainer Schermuly (PSI) und Ingo Schönberg (PPC).  Die Diskussion machte deutlich, dass die Umsetzung der netzdienlichen Steuerung nach §14a EnWG eine neue Qualität der Netzbetriebsführung erfordert. Essenzielle Voraussetzung dafür ist die Schaffung von Transparenz in der Niederspannung durch den flächendeckenden Einsatz von intelligenten Messsystemen (iMSys) und den Aufbau moderner Netzleitsysteme.

Der zweite Praxistalk „Vom Keller in die Cloud: Rolloutkonzepte aus der Praxis“ lieferte den notwendigen Realitätscheck. Hier berichteten René Giebel (EMH metering), Jan-Frederic Graen (peerMetering), Bashkim Malushaj (Horizonte Group), Dr. Brian Niehöfer (Theben SE) und Nick Umbach (ENQT) von den operativen Herausforderungen des iMSys-Rollouts. Von den Tücken bei der Inbetriebnahme über die TK-Strategie bis zur prozessualen Abbildung im Unternehmen wurden ungeschminkte Erfahrungen und praxistaugliche Lösungen geteilt. Einigkeit herrschte darüber, dass der heutige Rollout bereits so geplant werden muss, dass die Infrastruktur für die künftigen Steuerungsaufgaben gerüstet ist.

 

Von der Strategie zur konkreten Lösung: Vielfalt in den Fachforen

Neben den Diskussionen auf der Hauptbühne boten parallele Fachforen den Teilnehmern die Möglichkeit, spezifische Themen weiter zu vertiefen. Die Bandbreite spiegelte dabei die Vielfalt der aktuellen Herausforderungen wider. So wurde der Blick mit Themen wie Redispatch 3.0 gezielt in die Zukunft der Netzführung gerichtet und auch über den nationalen Tellerrand hinaus auf europäische Entwicklungen geschaut.

Gleichzeitig wurden konkrete Lösungsansätze für das Tagesgeschäft diskutiert. Ein besonderer Fokus lag auf dem Praxisbericht der Regionetz, die Einblicke in die konkrete Umsetzung der Netzsteuerung in der Niederspannung gab. Auch das für viele Unternehmen drängende Problem von Ressourcenengpässen bei Personal und Material fand breiten Raum. Abgerundet wurde das Angebot durch den Blick auf neue Geschäftsfelder, die Stadtwerken helfen, ihre regionale Position zu stärken. Themen wie HEMS (Home Energy Management System) und gemeinschaftliche Gebäudeversorgung zeigten praxisnahe Optionen auf, wie Versorger die Kundenbeziehung im Zeitalter der Sektorkopplung neu definieren können.

 

Regulatorischer Kompass für die Zukunft

Den Schlusspunkt der Veranstaltung setzte Geertje Stolzenburg, Expertin für Rechtsfragen beim BDEW. Sie ordnete die diskutierten Themen in den aktuellen rechtlichen Rahmen ein und gab einen Ausblick auf die anstehende Weiterentwicklung der Regulatorik. „Der Gesetzgeber hat mit den jüngsten Novellen, insbesondere im MsbG und EnWG, einen klaren Fahrplan für den Steuerungsrollout vorgegeben“, erklärte Stolzenburg. „Die Herausforderung für alle Marktpartner liegt nun darin, diesen Rahmen rechtssicher und gleichzeitig pragmatisch in die Praxis zu überführen. Klar ist: Die regulatorische Entwicklung wird weitergehen. Themen wie die Cybersicherheit und die Standardisierung der Datenkommunikation werden uns intensiv begleiten. Der BDEW setzt sich hier für praxistaugliche und wirtschaftlich tragfähige Lösungen ein, die den Stadtwerken ihre zentrale Rolle als Gestalter der Energiewende ermöglichen.“

Sebastian Icks, Bereichsleiter Unternehmensentwicklung bei smartOPTIMO und Moderator des Tages, fasste die Ergebnisse zusammen: „Der Tag hat eindrucksvoll gezeigt, dass die Vision vom 'Stadtwerk als Steuerzentrale' kein fernes Zukunftsbild, sondern ein konkreter und gestaltbarer Weg ist. Die Verknüpfung von strategischem Weitblick, wissenschaftlicher Fundierung und den ehrlichen Erfahrungen aus der Praxis gibt unseren Partnern eine klare Roadmap für die anstehenden Herausforderungen des Steuerungsrollouts. Das Forum Netz & Vertrieb hat den notwendigen Raum für diesen entscheidenden Austausch geboten.“

 

Ausblick

Das nächste Forum Netz & Vertrieb findet am 08. und 09. September 2026 in Osnabrück statt. Weitere Infos und Tickets gibt es auf der Veranstaltungsseite von smartOPTIMO: https://forum.smartoptimo.de/

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