Mit Blick auf die ursprünglichen Referentenentwürfe aus dem Sommer und Herbst des letzten Jahres für das nun am 25. Februar 2025 in Kraft getretene “Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen”, fällt dieses deutlich kürzer aus, als es der erste Entwurf erwarten ließ. Wie der Name der Novelle bereits sagt, zielt sie im Wesentlichen auf die Vermeidung von Stromspitzen ab und dient vor allem der Bewältigung der Herausforderungen, die sich u. a. durch den grundsätzlich erfreulich starken Ausbau erneuerbarer Energien, allen voran Photovoltaik-Anlagen, ergeben.
Gleichzeitig ist der nun endgültig vollzogene Wechsel vom Mess- zum Steuerungsrollout (Smart-Grid-Rollout) zu begrüßen, da eine stärkere Systemorientierung des Rollouts für ein Gelingen der Energiewende (zwingend) erforderlich ist.
Das Gesetz mit dem sperrigen Namen (Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen) umfasst unter anderem Änderungen des Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), des Messstellenbetriebsgesetz (MsbG), des Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) sowie weiterer Gesetze, wobei nicht alle zuvor vorgesehenen Änderungen umgesetzt wurden.
Erweiterung des Messrollouts zum Steuerungsrollout
Das nun vom Bundestag verabschiedete Gesetz sieht unter anderem eine Anpassung des §29 MsbG und der darin enthaltenen Regelungen zu Pflichteinbaufällen für intelligente Messsysteme und Steuerungseinrichtungen vor. Demnach hat eine Ausstattung mit intelligenten Messsystemen bei solchen Letztverbrauchern zu erfolgen, die einen Jahresstromverbrauch von mehr als 6.000 kWh vorweisen. Eine Ausstattung mit intelligentem Messsystem zuzüglich einer Steuerungseinrichtung hat am Netzanschlusspunkt bei jenen Letztverbrauchern zu erfolgen, mit denen eine Vereinbarung nach §14a EnWG besteht sowie bei Betreibern von Anlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 7 kW, sofern dies zur Erreichung der gesetzlich vorgeschriebenen Rolloutquoten erforderlich ist.
Optionale Einbaufälle
Die Möglichkeit optionaler Einbaufälle sieht das Gesetz für grundzuständige Messstellenbetreiber in § 29 Abs. 2 MsbG vor. Dies wären demnach Letztverbraucher mit einem Jahresstrombedarf <= 6.000 kWh oder Betreiber von Anlagen mit einer installierten Leistung <= 7 kW.
Ausnahmeregelung für Ausstattungspflicht
Eine Ausnahme von der Ausstattungspflicht mit Steuerungseinrichtungen sieht das Gesetz in § 29 Abs. 5 MsbG vor. Voraussetzung hierfür ist, dass der Anlagenbetreiber am Verknüpfungspunkt seiner Anlage mit dem Netz die maximale Wirkleistungseinspeisung dauerhaft auf 0 Prozent der installierten Leistung begrenzt und er gegenüber dem grundzuständigen Messstellenbetreiber in Textform erklärt hat, sicherzustellen, dass seine Anlage dauerhaft keinen Strom in die Elektrizitätsversorgungsnetze einspeist. Es besteht damit keine Notwendigkeit zur Ansteuerbarkeit der Anlagen, wenn lediglich eine Eigenversorgung oder Weitergabe außerhalb des Netzes erfolgt. Die grundsätzliche Ausstattungspflicht mit einem intelligenten Messsystem bleibt hiervon jedoch unberührt (!).
Balkonkraftwerke
Des Weiteren besteht keine Ausstattungspflicht für Steckersolargeräte mit einer installierten Leistung von insgesamt bis zu 2 kW und mit einer Wechselrichterleistung von insgesamt bis zu 800 VA, die hinter der Entnahmestelle eines Letztverbrauchers betrieben werden (kurz: Balkonkraftwerke).
Neue Preisobergrenzen
Darüber hinaus erfolgte eine teilweise Anpassung der in §30 MsbG festgelegten Preisobergrenzen. Zur Verdeutlichung haben wir Ihnen folgendes Schaubild erstellt:
Ab wann erfolgt die Anpassung der Preisobergrenzen?
Da es sich beim Messstellenbetrieb um ein Dauerschuldverhältnis handelt, entstehen auch die Entgelte jährlich neu. Daher gelten für ab dem 01.01.2025 entstehende Entgelte (unabhängig vom Zeitpunkt des Einbaus des intelligenten Messsystems) die neuen Preisobergrenzen. Hier gilt es auf die jeweiligen AGBs und Verträge mit Vertragspartnern zu achten.
Agiler Rollout
Hinsichtlich des agilen Rollouts gem. § 31 MsbG erfolgte eine Anpassung bzw. Klarstellung, dass dieser bis Ende 2025 möglich ist.
Konsequenzen bei Verfehlen der gesetzlichen Rolloutquoten
Fälle, in denen der grundzuständige Messstellenbetreiber seine gesetzlichen Ausstattungsverpflichtungen um 25 % oder mehr unterschreitet, können nun zu einem Entzug der Grundzuständigkeit durch die Bundesnetzagentur führen. Weitere Voraussetzung ist allerdings, dass das Verfehlen gleichzeitig zu einer nicht unerheblichen Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in mindestens einer Regelzone wesentlich beitragen könnte. Vor dem Entzug der Grundzuständigkeit ist dem betroffenen Messtellenbetreiber innerhalb einer angemessenen Frist die Gelegenheit zur Stellungnahme zu gewähren.
Anpassung der Standard- und Zusatzleistungen
Die Gesetzesnovelle nimmt zudem mehrere Anpassungen des §34 MsbG vor. Sie überführt zum einen die Steuerung am Netzanschluss in die Standardleistungen gemäß Absatz 1 und ordnet ihnen eine eigene Preisobergrenze zu. Zum anderen haben Messstellenbetreiber die Daten gemäß §60 Abs. 3 MsbG nun auf Anforderung den Netzbetreiber viertelstündlich zur Verfügung zu stellen.
Darüber hinaus erfolgt eine Anpassung der verpflichtenden Zusatzleistungen, die eine Zusammenfassung aller Leistungen, die mit der Steuerung zusammenhängen (Einbau, Betrieb, Datenübermittlung) zur Folge hat.
Klarstellungen
Für Klarheit sorgen zudem die Änderungen in § 3 MsbG, welche zukünftig auch den Anschlussnehmer als Schuldner der nach § 7 Abs. 1 S. 1 MsbG festzulegenden Entgelte benennt sowie die Klarstellung, dass es sich bei der Erbringung von Zusatzleistungen nach § 34 Abs. 2 MsbG in § 35 Abs. 1 MsbG um „angemessene Zusatzentgelte“ handelt und nicht um „Höchstentgelte“.
Neuer Rollout-Fahrplan bei EEG/KWKG-Anlagen
Geänderte Logik für Ausstattungsquoten
Ein besonderes Augenmerk ist auf die geänderte Logik bei der Berechnung der Ausstattungsquoten zu legen. Nach der nun geltenden Rechtslage wird in Bezug auf die Rolloutziele künftig nicht mehr auf die Anzahl der ausgestatteten Messstellen, sondern auf die erfasste installierte Leistung abgestellt.
EnWG:
Pflichten der Netzbetreiber - “Anlagen-TÜV” (§12 EnWG)
Mit der Gesetzesnovelle wurden den Betreibern von Elektrizitätsversorgungsnetzen zusätzliche Vorgaben gemacht. Folglich müssen die Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen zukünftig in der Lage sein, die Steuerbarkeit und Abrufung der Ist-Einspeisung aller in ihrem Netz befindlichen Erzeuger- und Speicheranlagen zu nutzen. Des Weiteren ist die Befähigung zum Steuern und Abrufen der Ist-Einspeisung ab 2025 turnusmäßig einmal im Jahr zu testen. Hierzu müssen die Netzbetreiber nachweisen, dass sie jederzeit Anpassungen nach § 13a Absatz 1 und § 14 Absatz 1 sowie Abrufe der Ist-Einspeisung vornehmen können, wobei Anlagen mit einer Nennleistung von weniger als 100 kW allerdings erst ab dem 1. Januar 2026 einzubeziehen sind. Die Testergebnisse sind stufenweise an jeweils vorgelagerte Netzbetreiber weiterzuleiten.
Die Betreiber von Übertragungsnetzen mit Regelzonenverantwortung müssen zudem einen jährlichen Gesamtbericht über die Ergebnisse der vorgenannten Tests erstellen und der Bundesnetzagentur und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vorlegen. Die Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen und grundzuständige Messstellenbetreiber sind gleichermaßen verpflichtet, an der Erstellung des Gesamtberichts mitzuwirken.
Des Weiteren haben die Betreiber von Übertragungsnetzen mit Regelzonenverantwortung auf ihrer Internetseite spätestens zum 25. April 2025 einheitliche Leitlinien für die Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen und grundzuständigen Messstellenbetreiber zu veröffentlichen. Die Leitlinien haben dabei konkrete Ausführungen zum Ablauf der Tests und Überprüfungen sowie zur Datenverarbeitung und -übermittlung zu enthalten.
Sollte ein Netzbetreiber gegen die vorgenannten Pflichten dauerhaft oder wiederholt verstoßen, kann die Bundesnetzagentur ihm zum einen die Pflicht zur ferngesteuerten Regelung von Erzeugungs- oder Speicheranlagen sowie zum anderen die Pflicht zur Betriebsführung (sofern diese im unmittelbaren Zusammenhang mit der ferngesteuerten Regelung von Erzeugungs- oder Speicheranlagen steht) entziehen und auf den ihm vorgelagerten Netzbetreiber übertragen. Eine Rückübertragung auf den nachgelagerten Netzbetreiber durch die Bundesnetzagentur ist grundsätzlich jedoch möglich.
Flexible Netzanschlussvereinbarungen (§17 EnWG)
Im Zuge der Novellierung des EnWG wird es Netzbetreibern mit dem neu eingeführten §17 Abs. 2b EnWG ermöglicht, Anschlussnehmern flexible Netzanschlussvereinbarungen anzubieten. Hierdurch wird dem Netzbetreiber das Recht eingeräumt, die maximale Entnahme- oder Einspeiseleistung des Anschlussnehmers statisch oder dynamisch zu begrenzen. Hierbei ist zu beachten, dass eine flexible Netzanschlussvereinbarung insbesondere nachfolgende Regelungspunkte enthalten muss:
- Höhe der Begrenzung der Entnahme- oder Einspeiseleistung
- Zeitraum oder Zeiträume der Begrenzung der Entnahme- oder Einspeiseleistung
- Dauer der flexiblen Netzanschlussvereinbarung
- Technische Anforderungen an die Begrenzung der Entnahme- oder Einspeiseleistung
- Haftung des Anschlussnehmers bei Überschreitung der vereinbarten maximalen Entnahme- oder Einspeiseleistung.
Es gilt zu beachten, dass das EEG eine gesonderte Regelung für solche Anlagen enthält, die dem EEG unterliegen.
EEG
Technische Vorgaben (§9 EEG)
Die neuen Regelungen stellen klar, dass EEG-Anlagenbetreiber den ordnungsgemäßen Zustand der Anlagen sicherstellen müssen, d. h. zum einen, dass Einbau und Betrieb von intelligenten Messsystemen (und Steuerungseinrichtungen) durch den Messstellenbetreiber möglich sein müssen sowie zum anderen, dass der Netzbetreiber und andere Berechtigte jederzeit die Ist-Einspeisung abrufen und die Einspeiseleistung stufenweise oder stufenlos ferngesteuert regeln können. Hierbei sind die allgemein anerkannten Regeln der Technik beim Anschluss von Anlagen an das Stromnetz zu beachten. Abhängig vom Datum der Inbetriebnahme, der Nennleistung sowie der Ausstattung einer Anlage mit intelligenten Messsystemen und Steuereinheit ergeben sich unterschiedliche gesetzliche Anforderungen.
Die Fundstellen der gesetzlichen Anforderungen für Bestands- und Neuanlagen sind in nachfolgender Übersicht aufgeführt:
Verbesserter Rahmen für die Direktvermarktung
Ein weiteres Ziel der Gesetzesnovelle ist die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Direktvermarktung von Anlagen. Hierfür wurden (u. a.) die Fristen für den Nachweis der stufenweisen oder stufenlosen Fernsteuerung von Anlagen an die Praxis angepasst, sodass nun der Zeitpunkt der erstmaligen Einspeisung anstelle der Inbetriebnahme der Anlage entscheidend ist. Des Weiteren wurde im Zusammenhang mit der marktorientierten Steuerung von Anlagen durch den Direktvermarkter klargestellt, dass die Sichtbarkeit und Steuerbarkeit über das Smart-Meter-Gateway erst ab dem 01.01.2028 und ab Einbau eines intelligenten Messsystems erforderlich ist. Bis dahin sind Übertragungstechniken und Übertragungswege zu verwenden, die dem Stand der Technik bei Inbetriebnahme der Anlage entsprechen und wirtschaftlich vertretbar sind. Ebenso wird den Netzbetreibern gem. § 10b Abs. 5 EEG aufgetragen, sich bis zum 01.03.2026 untereinander über einheitliche, für Anlagenbetreiber und Direktvermarktungsunternehmen, einfach umsetzbare Nachweise abzustimmen. Sie sollen dabei auch eine Massengeschäftstauglichkeit der Nachweisführung sicherstellen. Neben den vorgenannten Maßnahmen wurden zudem weitere Anpassungen vorgenommen.
Flexible Netzanschlussvereinbarungen
Parallel zum EnWG wurde nun auch im EEG ein rechtlicher Rahmen für flexible Netzanschlussvereinbarungen zwischen Anlagenbetreiber und Netzbetreiber bei mangelnder Netzanschlusskapazität geschaffen. Die entsprechenden Regelungen finden sich in den §§ 8 Abs. 2, 8a, 11 Abs. 1 EEG wieder. Hierbei ist jedoch anzumerken, dass es derzeitig noch einige Detailfragen zu klären gibt.