Die Bundesnetzagentur macht derzeit Druck beim Rollout von intelligenten Messsystemen. Bis Ende 2025 müssen Messstellenbetreiber 20 Prozent ihrer Quote erreicht haben. Fritz Wengeler erklärt im ZfK-Interview, warum strategische Planung, konsequente Umsetzung und interne Priorisierung viel entscheidender als die Größe der Unternehmen sind – und wo Stadtwerke aktuell beim Rollout noch Unterstützung brauchen. Der Geschäftsführer von smartOPTIMO gibt zudem einen Ausblick auf die kommenden Herausforderungen beim Steuerungsrollout und fordert mehr Planungssicherheit sowie pragmatische Übergangsregelungen von der Politik. Auch die erfolgreiche Migration der Gateway-Administration für Regionetz ist Thema – ein Signal für einen wachsenden Konsolidierungstrend.
ZfK: Herr Wengeler, wie läuft der Smart-Meter-Rollout derzeit bei Ihrem Netzwerk?
Fritz Wengeler: Der Rollout hat in den letzten Monaten deutlich an Fahrt aufgenommen. Die Bundesnetzagentur hat in ihrer letzten Quartalserhebung für Q4/2024 eine durchschnittliche Ausstattungsquote von knapp 14 Prozent bei den Pflichteinbaufällen mit einem Verbrauch zwischen 6.000 und 100.000 kWh bzw. einschließlich §14a-EnWG-Anlagen festgestellt. Bei unseren Stadtwerken im smartOPTIMO-Netzwerk sehen wir eine ähnliche Entwicklung, allerdings mit einer interessanten Spreizung: Einige unserer Partner liegen bereits über der 20-Prozent-Quote, die bis Ende 2025 erreicht werden muss, während andere noch aufholen.
Was wir dabei beobachten: Die Größe des Energieversorgers ist kein Indiz für einen erfolgreichen Rollout. Wir haben sowohl kleine als auch große Stadtwerke, die hervorragend vorankommen. Entscheidend sind vielmehr strategische Faktoren wie frühzeitige Planung, konsequente Umsetzung und die richtige Priorisierung im Unternehmen.
ZfK: Mit welchen Herausforderungen hat Smartoptimo im Speziellen und die Branche im Allgemeinen beim Rollout derzeit zu kämpfen?
Fritz Wengeler: Die Herausforderungen sind vielfältig. Zunächst einmal ist da der regulatorische Rahmen, der sich mit der Novellierung des Messstellenbetriebsgesetzes, des Energiewirtschaftsgesetzes und des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Februar 2025 erneut geändert hat. Der Fokus hat sich vom reinen Messrollout zum Steuerungsrollout verschoben – eine grundsätzlich sinnvolle Entwicklung, die aber neue Anforderungen mit sich bringt.
Praktisch sehen wir bei vielen Stadtwerken nach wie vor Ressourcenengpässe. Der Fachkräftemangel trifft die Branche hart, gerade im Bereich der IT und bei Monteuren, die für den physischen Einbau der Geräte benötigt werden. Hinzu kommen teilweise noch immer Lieferengpässe bei der Hardware, auch wenn sich die Situation hier verbessert hat.
Wir fragen in regelmäßigen Abständen die für den Rollout geplanten Mengen – wie Zähler, Smart Meter Gateways und SIM-Karten – in unserem Netzwerk ab. Leider müssen wir feststellen, dass die Qualität der angegebenen Daten noch verbesserungswürdig ist. Das zeigt einerseits, dass die Rolloutplanung bei einigen Stadtwerken noch Verbesserungspotenzial hat. Andererseits hat dies Einfluss auf die Kapazitätsplanung und auf die gemeinsame Beschaffung von beispielsweise Zählern. Es kommt dann zum Gap zwischen Planung und tatsächlichem Abruf.
ZfK: Werden die Mitglieder Ihres Netzwerks die 20-Prozent-Quote bis Jahresende erreichen?
Fritz Wengeler: Für einen Großteil unserer Partner bin ich zuversichtlich, dass sie die Quote erreichen werden. Wie gesagt, einige haben sie bereits übertroffen. Bei anderen arbeiten wir intensiv daran, den Rollout zu beschleunigen. Wir haben dafür spezielle Unterstützungsprogramme wie die Rolloutberatung aufgesetzt, die von der Prozessoptimierung über die Ressourcenplanung bis hin zur konkreten Umsetzungsunterstützung reichen.
Was uns dabei hilft: Die Bundesnetzagentur hat in ihrem Schreiben zu Jahresbeginn zwar auf die Erreichung der Quote hingewiesen, aber auch klargestellt, dass Sanktionen erst bei einer deutlichen Unterschreitung um 25 Prozent und nur dann drohen, wenn dies zu einer Gefährdung der Systemsicherheit führen könnte. Diese differenzierte Betrachtung gibt uns etwas mehr Spielraum.
Dennoch nehmen wir die Zielvorgabe sehr ernst. Die 20-Prozent-Quote ist nicht nur eine regulatorische Anforderung, sondern auch ein wichtiger Meilenstein für die Digitalisierung der Energiewende. Wir haben daher in unserem Netzwerk einen intensiven Erfahrungsaustausch etabliert, bei dem die erfolgreichen Stadtwerke ihre Best Practices mit den anderen teilen.
ZfK: Als Nächstes steht der Steuerungsrollout an. Was sind hier die besonderen Herausforderungen, wie denken Sie, wird die Entwicklung hier vorangehen?
Fritz Wengeler: Der Steuerungsrollout ist tatsächlich eine ganz neue Dimension. Während es beim bisherigen Rollout primär um das Messen ging, geht es nun um das aktive Steuern von Anlagen – ein fundamentaler Paradigmenwechsel.
Die größte Herausforderung sehe ich in der technischen Komplexität. Wir müssen nicht nur die Steuerungseinrichtungen installieren, sondern auch die gesamte Kommunikationskette vom Netzbetreiber über den Messstellenbetreiber bis zur Anlage sicherstellen. Das EnWG verpflichtet die Netzbetreiber zudem, jährlich die Steuerungsfähigkeit zu testen – ein enormer Aufwand. Die Komplexität der Aufgaben erfordert ein schnelles Handeln, um sich vorzubereiten, Voraussetzungen zu schaffen und einen Dienstleister zu beauftragen. Wir lassen unsere Netzwerkteilnehmer nicht allein und bieten hier die CLS-Einführungsberatung an.
Ich erwarte, dass der Steuerungsrollout zunächst langsamer anlaufen wird als erhofft. Die notwendigen Standards und Prozesse müssen sich erst etablieren und massentauglich werden. Ab 2026 gegebenenfalls im Übergang ab 2027 dürfte dann aber eine deutliche Beschleunigung einsetzen, wenn die ersten Erfahrungen gesammelt sind und die Netzbetreiber ihre Testpflichten mit der CLS-Technik erfüllen müssen.
Wir bei smartOPTIMO bieten im September im Rahmen unserer Netzwerktage einen speziellen Austausch: Wir wollen Wissen teilen – zum Beispiel in unserem Kooperationsprojekt Technik am 9. September zum Thema "Steuerungsrollout - aber wie?" an. Dort werden wir exklusiv mit Experten aus Netz, Vertrieb und Messwesen die konkreten Umsetzungsschritte diskutieren. Das Thema Steuerungsrollout zieht sich aber auch fast durch jeden Beitrag am 10. September beim Forum Netz & Vertrieb.
ZfK: Sie haben zuletzt mit Regionetz die Migration der Gateway-Administration im laufenden Betrieb gemeistert. Gibt es hier weitere Kandidaten, die zu Ihnen wechseln wollen?
Fritz Wengeler: Die erfolgreiche Migration der Gateway-Administration für die Regionetz war tatsächlich ein wichtiger Meilenstein für uns. Wir haben rund 3.000 Smart Meter Gateways in nur fünf Monaten auf unsere Systeme migriert – sogar einen Monat schneller als ursprünglich geplant. Das zeigt, dass wir auch komplexe Migrationen im laufenden Betrieb sicher bewältigen können.
Diese Referenz hat definitiv Signalwirkung im Markt. Wir führen aktuell Gespräche mit weiteren Stadtwerken und Netzbetreibern, die einen Wechsel ihrer Gateway-Administration in Betracht ziehen. Der Markt konsolidiert sich zunehmend, da viele Unternehmen erkennen, dass die Gateway-Administration als hochspezialisierte Aufgabe in größeren Einheiten effizienter betrieben werden kann.
Besonders freut uns, dass Regionetz nicht nur Kunde, sondern auch Gesellschafter von smartOPTIMO geworden ist. Das unterstreicht das Vertrauen in unser Geschäftsmodell und stärkt unser kommunales Netzwerk weiter. Als Nächstes steht bei Regionetz die Anbindung an unser aEMT-System an, also die Integration als aktiver externer Marktteilnehmer. Ich bin überzeugt, dass wir in den kommenden Monaten weitere Migrationen und Partnerschaften verkünden können. Der Trend zur Konsolidierung wird sich fort-setzen, da die Anforderungen mit dem Steuerungsrollout noch komplexer werden.
ZfK: Gibt es Wünsche an die Politik/Regulierung, was sich noch verbessern müsste?
Fritz Wengeler: Grundsätzlich begrüße ich die Richtung, die mit der jüngsten Novellierung eingeschlagen wurde. Der Fokus auf den Steuerungsrollout ist richtig und wichtig für die Energiewende. Dennoch gibt es einige Punkte, bei denen ich Verbesserungsbedarf sehe. Einerseits brauchen wir mehr Planungssicherheit. Die regulatorischen Rahmenbedingungen änderten sich in der Vergangenheit zu häufig oder waren unsicher, was langfristige Investitionsentscheidungen erschwert. Hier wäre ein stabilerer Rahmen hilfreich.
Andererseits brauchen wir auch eine Anpassung des Rahmens an die dynamische Entwicklung. Hier gibt mittlerweile der Markt der Energieverbraucher und -erzeuger den Takt vor. Auch weitere und neue Anforderungen, die sich aus dem Steuerungsrollout ergeben, verlangen die Überprüfung der wirtschaftlich machbaren Umsetzung in möglichst kurzen Abständen.
Und schließlich brauchen wir pragmatische Übergangsregelungen für den Steuerungsrollout. Die technischen Standards entwickeln sich noch, und nicht alle Komponenten sind bereits marktreif. Hier sollte die Regulierung Flexibilität ermöglichen, ohne die Zielsetzung aus den Augen zu verlieren.
Trotz dieser Wünsche bin ich optimistisch, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Die Digitalisierung der Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und mit dem Steuerungsrollout haben wir ein wichtiges Instrument, um die Herausforderungen der zunehmend dezentralen und volatilen Energieerzeugung zu meistern.
Die Fragen stellte Stephanie Gust von der ZfK.